In Erinnerungen
18. Juni 2012
Mein letzter Besuch in China liegt jetzt schon fast 6 Jahre zurück. Mein Gott, wie die Zeit vergeht! Doch manche Ereignisse ruhen vor meinem inneren Auge noch genauso lebhaft, wie damals. Ich muss mich nur kurz zurücklehnen, und schon erwachen lauter Erinnerungen zum Leben.
Eine davon habe ich am 16.04.2010 im Rahmen eines Seminars über kreatives Schreiben niedergeschrieben. Sie gehört – wie viele andere auch – in die Kategorie “Peinlich bis ekelhaft, oder einfach nur urkomisch”. Das Tragische kann auch eine gewisse Komik besitzen, je nachdem, wie gut man darin ist, sich selbst zu belächeln. Meiner Meinung nach, kann man das Leben weitaus besser ertragen, wenn man sich selbst wie eine Theaterfigur in einem Bühnenstück betrachtet; keine Möglichkeit, dem Drehbuch zu entrinnen, daher entweder gezwungen zu zerbrechen, oder einfach laut zu lachen.
Ich bin für das Lachen.
Viel Spaß beim Lesen.
Badezimmerbesucher
Draußen ist es dunkel, es ist ja auch schon kurz vor zehn.
Um mich herum: Mehr oder weniger weiße Fliesen, ein Berg Wäsche, eine offene Dusche ohne Duschvorhang, ein Waschbecken und irgendwo am Rande ich auf der Kloschüssel. Ich sitz‘ da schon eine ganze Weile, denn wie mir die letzten Wochen in dem fremden Land gezeigt hatten, vertrage ich nicht jedes Essen. Speziell dieser Fisch heute Mittag in einer undefinierbaren, bräunlichen Soße mit anderen Dingen darin, für die ich nicht einmal einen Namen kenne, war ganz sicher eines dieser Dinge.
Dann, irgendwann, richte ich den Blick auf den Boden und beobachte etwas Schwarzes, ungefähr zehn Zentimeter langes Etwas, das sich mir mit der Geschwindigkeit einer Maus auf Futtersuche nähert. Ich blinzele und kneife die Augen zusammen, doch Einzelheiten bleiben mir verborgen, denn die Brille liegt auf dem Waschbecken und das befindet sich dank meiner unpässlichen Lage gerade in unerreichbarer Nähe. So kommt dieses Ding unerkannt und daher unvermindert schnell immer näher, missachtet meinen intimen Hoheitssitz und erreicht bald meinen Fuß. Mit plötzlicher Erkenntnis und gleichzeitig einhergehenden Schrecken wird mir seine Gestalt ganz klar: Dieses Ding ist ein Skorpion. Und was für einer!
Hektisch springe ich auf, stolpere fast über meine, nur mit einem Fuß eingestiegenen Flip Flops und ziehe rasch die Hose hoch. Der Skorpion hat wenig Nachsicht mit mir und krabbelt derweil unbekümmert über meinen hinterlassenen Schuh hinweg, dann wechselt er die Richtung.
Auf mich zu.
Ich weiche zurück, ein wenig mechanisch vielleicht, ehe auf einmal das Licht ausgeht. Ein Schrei bleibt mir im Halse stecken, ehe mir klar wird, dass es zehn Uhr sein muss. Jeden Abend um zehn Uhr geht in dieser Herberge das Licht aus. So stehe ich da in der Dunkelheit, vollkommene Schwärze umgibt mich und lässt keinerlei Erkenntnis darüber zu, wo was steht und vor allem: Wo der unliebsame Spanner mit Stachel und Scheren abgeblieben ist. Fortan bewege ich mich keinen Millimeter mehr, selbst wenn mir klar ist, dass die Tür irgendwo, nur ein paar Schritte weit entfernt, hinter mir sein müsste. Ich trage nur einen Schuh, der andere Fuß steckt in wenig widerstandsfähigen und spärlich gebrauchten Material aus Plastik und Gummi.
Ich schließe die Augen und in meinem Kopf gibt es nur noch zwei Dinge: Mich selbst und ein Problem, das irgendwo in der Finsternis auf mich lauert. Und ich dachte bis vor wenigen Augenblicken noch, dass Durchfall heute mein größtes Übel wäre…
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