Dinge geschehen einfach
17. September 2013
Ich glaube ja nicht, dass hier noch jemand reinguckt, aber das ist mir egal. Ich würde gerne jetzt, nachdem ich schon 3 Monate wieder in Deutschland bin (abzüglich 3 Woche im europ. Ausland), ein kleines Feedback geben zu meiner Re-Integration in das Leben hier.
Was hat sich verändert?
Nun, eigentlich nicht viel – abgesehen von einigen Renovierungen am Haus in Bremen. Die Katzen hingegen haben ihr Bestes getan, um immer für weitere offenstehende Arbeit zu sorgen, z.B. indem sie Tapeten von den Wänden holten. Ansonsten sieht jeder Vorgarten, jedes Haus in meiner Nachbarschaft so aus, wie vor mehr als einem Jahr. Aber ich habe auch nichts anderes erwartet. Auch das Bremer Innenstadt-Bild hat sich nicht verändert, vielleicht nur ein paar Ladenwechsel.
Das Porto für normale Briefe ist teurer geworden, ich glaube 3 Cent. Da ich aber noch einige 55ct Briefmarken bei mir zuhause liegen habe, verwende ich die auch schön, und male daneben eine 2. Briefmarke mit der Beschriftung “Stellen Sie sich hier 3 Cent vor!”. Bisher ist jeder Brief zugestellt worden.
Die Praxisgebühr wurde abgeschafft! Wurde auch Zeit, war ja eine strunzdämliche Erfindung, und lästig ohne Ende. Endlich kann ich wieder zu jedem Arzt gehen, zu dem ich will ohne vorher bei demjenigen, wo ich das Geld bezahlt habe, Überweisungen ausstellen lassen zu müssen.
Und sonst?
Daniela Katzenbergers Titten und aufgeklebten Wimpern sind noch genauso unecht wie zuvor, DSDS sammelt immer noch fleißig untalentierte Hornochsen von der Straße und ProSiebens Montagabend wird immer noch von den Simpsons, Big Bang Theorie und How I met your mother regiert.
Meine Schwester hat immer noch nicht ihren Führerschein fertig. Die Frage, ob SIE mich mal irgendwann abholen und nach Hause bringen könnte, muss ich also nicht stellen, und dem derzeitigen Trend zufolge wird sich daran in naher Zukunft auch nichts ändern.
Rosi und Jürgen beschweren sich immer noch darüber, dass die Katzen zu wählerisch mit dem Essen sind, Gandhi entwickelt sich dafür gerade in Richtung Garfield…
Ob ich was verpasst habe? Sagt ihr es mir, ich glaube nicht.
Die Frage, ob ich hier in Deutschland nun alles extrem teuer finde, kann ich nicht ganz klar beantworten. Ich bin immer noch begeistert, dass ich Milch, Joghurt, Käse und Nudeln für ein paar Cents bekomme – staune bei Obst und Gemüse aber nicht schlecht, wenn es damit an die Kasse geht. Es ist also gemischt, und ich muss nichts mehr übergründlich abwaschen, heiß abkochen oder bis auf die Wurzeln kahlschneiden, bevor ich es essen kann. Kochen kann ja so einfach sein!
Mein Leben als Vegetarierin ist dahin, auch wenn ich mir seit September vorgenommen habe, zumindest bis Weihnachten wieder fleischlos zu leben (klappt zu 90%). Ich habe seit meiner Rückkehr 3 oder 4 Kilo zugenommen, leider. Das liegt aber nicht am Fleisch, sondern am Brot, am Käse, an den Gebäcken… Sahnesaucen, Nachtische. In der Mensa der Nanjinger Uni stand ich nie vor einer reichen Auswahl an Pudding oder Milchreis, da stellte sich eher immer die Frage, was am wenigsten Durchfall verursacht. Dabei vermisse ich ganz viele Dinge… und gerade jetzt, wo es fühlbar kälter wird, würde ich doch gerne mal zwischendurch eine Suppe mit Tofu und Glasnudeln oder aber mit gefüllten Teigtaschen essen, oder aber knackig gedünsteten Brokkoli und scharf gebratene Paprika für 30 Cent. So viel steht fest: Isst man warme Speisen, hat man eher das Gefühl etws gegessen zu haben, und nascht nebenbei nicht so viel.
Und man trinkt nicht so viel Kaffee.
Durch die wenigen Veränderungen fühlt es sich nicht so an, als wäre ich ein Jahr weg gewesen. Manchmal frage ich mich sogar, ob ich das nicht alles geträumt hätte – und dann springen einem wieder so klare Bilder in den Kopf, dass man nur den Kopf schütteln kann. Natürlich ist das Leben in China real gewesen! Aber irgendwie auch ein ganz anderes Leben. Ich sitze oft an meinem Schreibtisch in Bremen und sehe aus dem Fenster, doch dann sehe ich draußen nicht doe Vorgärten, sondern die Wolkenkratzer, die tagsüber aussehen wie bleiche Skelette, grau und leblos, und nachts doch so schön beleuchtet sind, wie ein zweiter Sternenhimmel. Hier ist es nachts dunkel, aber ich sehe die Sterne wieder. Wenn es windig ist, höre ich das am Rauschen der Blätter an den Bäumen – in Nanjing musste ich erst raus gehen, um das zu wissen.
Häuser wiegen sich nicht im Wind, und Bäume gibt es zu wenige.
Ich vermisse meine Flexibilität, und bin deshalb auch sehr froh, wieder in Göttingen zu wohnen. Dort ist alles zentral – eben weil es so klein ist. Ich bin wieder öfter unterwegs, und das gefällt mir. Ich sitze lieber im lebhaften Café und arbeite dort, als in meinem Zimmer in Bremen. Doch Sehnsucht nach der Masse? Vielleicht ein wenig, denn die Hektik um einen herum produziert einen ganz bestimmten Puls, dem du folgst und der sich lebendig und gut anfühlt. Ich brauche diesen Puls, und an Bremens Stadtrand ist er schon längst verklungen.
Obwohl es für so etwas noch zu früh ist, habe ich gestern 2 Stunden damit zugebracht, mich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen. Ich will arbeiten. Ich fühle mich für das Studieren zu alt, ich will endlich aktiv werden und Geld verdienen! Dass mir dazu “nur noch” die Masterarbeit im Weg steht, macht es nicht leichter sie zu bewältigen. Auch die Frage, ob ich wieder ins Ausland will oder doch hier nach einem Job suchen sollte, bereitet mir Magenschmerzen. Ich weiß es einfach nicht.
Wir werden sehen.
Post Views:
426
Neuer
Ich habe es getan...
Das könnte dich auch interessieren

Ein Kommentar
Denise K.
Bin erschlagen von deinen Zeilen… sehe es schon kommen, dass du bald wieder nach China abhaust. Wie soll ich arme Socke es mir denn leisten, dich dort mit Baby oder Kleinkind zu besuchen? Grummel. Wirkt irgendwie, als wärst du alles andere als glücklich. Hatte bevor du gefahren bist immer das Gefühl, dass Bremen deine Heimat sei- dieses Gefühl geht verloren, wenn man deinen Text liest. Deine Aussage: Heimat ist da, wo meine Ma ist, finde ich gut- aber… mh. Für mich gehörst du nach Bremen und Bremen ist ohne dich nur noch halb so schön. Ich wünsche dir trotzdem, dass du eine tolle Arbeit findest, egal wo. Irgendwie bekomme ich das schon gebacken, dich dann zu besuchen…
Fühl dich gedrückt!
Kussiii