Ein Blick zurück
25. August 2015
Ich bekam von einigen von euch ja immer wieder zu hören, wieso ich nicht mehr bloggen würde. Zu faul? Zu viel zu tun? Weder noch. Mein letzter Beitrag ist vom 27. April, jetzt haben wir Ende August. Was ist passiert?
Zuallererst für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Ich bin seit dem 17.7. wieder in Deutschland. BÄM. Okay, weiter geht’s. Ich hatte von Mitte März bis Mitte Juni das Praktikum bei der People’s Daily, hatte 2 Tage die Woche meinen Unterricht an der Uni und die Wochenende gab ich Nachhilfe. Das volle Programm hatte natürlich einen Zweck, nämlich Zeit totschlagen. Im April hatte ich geschrieben:
Womit soll ich meine Zeit denn hier sonst nutzen, als mit Geldverdienen? Hier in Peking klappt nichts, aber immerhin das.
Und das habe ich dann auch fleißig gemacht. Ab Mitte Mai gingen die Temperaturen hoch auf über 30 Grad und verweilten dort standhaft. Meine bitchige Mitbewohnerin, die jeden Tag bis 11 oder 12 Uhr schlief, sich dann 2 Stunden vor den Spiegel setzte und sich restaurierte, nachmittags auch nur DVDs guckte und abends dann irgendwo auswärts war, verlangte von mir ernsthaft Extrakosten für die Nutzung der Klimaanlage in meinem Zimmer. Dabei zahlte ich ja schon 40€ Nebenkosten für meine 10qm, die Nichtbenutzung der Küche (weil dauerbesetzt von der Mutter) und Nichtbenutzung der Dusche (da ich alle 2 Tage beim Fitnessstudio war und dort duschte). Beim Auszug rechnete sie noch die Tage ab, die ich schon längst in Deutschland sein würde (“Aber du sagtest damals der 18.!”) und verlangte eine “Putzgebühr” für ihre Mutter. Putzgebühr. Die Wohnung war von oben bis unten, hinten nach vorne zugedreckt. Auf dem Balkon türmten sich Plastikflaschen, im Kühlschrank gammelen Lebensmittel vor sich hin, die Kochfläche war dank schwarzen Öls überall nicht zu gebrauchen, Kakerlaken liefen in den Vorratsschränken herum und das Wohnzimmer war der Ablageort für allen Scheiß, für den man in den anderen Zimmern keinen Platz mehr hatte. Putzgebühr. Das rechnete sie alles von der Kaution ab. Hätte ich es ihr zahlen müssen, dann hätte sie das Geld niemals gesehen und das wusste sie auch. So aber hatte sie ja schon 500 Euro, von denen sie munter dies und das abziehen konnte. Am Ende blieb mir knapp die Hälfte. Dann sagte ich ihr, was für eine hinterhältige Bitch sie ist und das sie hoffentlich in ihrem Dreck ersticken wird.
Das war Ende Juni.
Ich brachte meinen Kram zu Vivien, meine alten Studienkollegin aus Göttingen, verbrachte dort zwei Tage und flog dann nach Malaysia. Der Unterricht an der Uni war schon vorbei, Prüfungen waren geschrieben worden, das Praktikum ausgezahlt und die Nachhilfestunden beendet.
Malaysia war dann noch einmal Balsam für die Seele und Erholung von all der Kaltherzigkeit, Oberflächlichkeit und Bosartigkeit Pekings. Der Urlaub kostete mich kaum etwas, da ich bei Reisebekannten, kennengelernt auf den Philippinen, sowohl in Kuala Lumpur, als auch Penang übernachten konnte. Meistens gab’s dann noch Essen auf Kosten der Familien. Hallo Welt, du kannst ja wieder lächeln!
Zurück nach Peking, zwei Tage erholen, von Nachhilfeschülern verabschieden und back to Germany. Erst gestern habe ich meinen obligatorischen Abschlussbericht für den DAAD geschrieben und die letzten Zeilen lauten wie folgt:
Die wenigen positiven Erfahrungen können nicht die Beeinträchtigungen und Mängel aufwiegen, die das Leben in Chinas Hauptstadt mit sich bringen. Die Sprachassistenz war somit für mich eine wirklich beeindruckende Erfahrung: Ich bin an meine Grenzen gekommen und weiß jetzt, dass ich solche privaten Belastungen und beruflichen Enttäuschungen zwar ertragen kann, aber nie wieder ertragen will.
Ich denke, das trifft meine gesamte Zeit dort sehr gut. Ich bin sehr enttäuscht vom DAAD, aber auch von Peking. Ich frage mich, wie eine Stadt so ein ganz anderes Gesicht zeigen kann als das von Nanjing, wo ich zuvor auch schon ein Jahr gelebt hatte? Wieso musste ich immer nur die richtig fiesen Arschloch-Vermieter und -makler treffen? Wieso habe ich keine neuen Freundschaften geschlossen? Was habe ich anders oder falsch gemacht?
Meine Masterarbeit beschäftigte sich mit der Frage, inwiefern Städte als kulturkonstituierendes Moment auf seine Bewohner einwirken können. Meine Antwort: Sehr. Der Mensch, der in Peking überleben muss, ist entweder besonders zermürbt und ausgebrannt oder ignorant und eitel. Die horrenden Mieten, die Fülle und Umweltbelastungen (Wasser, Luft, Essen) sind Faktoren, die an den anderen Problemen zusätzlich nagen. Arbeitslosigkeit, Druck der Familie, staatliche Restriktionen, berufliche Chancenlosigkeit.
Das alles macht die Menschen unfreundlich, unzufrieden und sogar feindlich. Ich bin ziemlich stolz auf mich, dass ich so darüber denke, auch wenn ich zwischenzeitlich vor Wut geheult oder um mich hätte schlagen können bei so viel Ungerechtigkeit und Ignoranz, mit der ich zu tun hatte. Ja, ich habe die 11 Monate gelitten, sehr sogar. Ich habe es irgendwie überstanden. Und ich bin zuversichtlich, dass ich schon ziemlich tief in die Scheiße greifen müsste, um solche Umstände noch einmal herbei zu führen. Also, ein anderes Fazit lautet: Was mich nicht umgebracht hat, hat mich nicht umgebracht. Und damit kann man doch arbeiten.
Das alles macht die Menschen unfreundlich, unzufrieden und sogar feindlich. Ich bin ziemlich stolz auf mich, dass ich so darüber denke, auch wenn ich zwischenzeitlich vor Wut geheult oder um mich hätte schlagen können bei so viel Ungerechtigkeit und Ignoranz, mit der ich zu tun hatte. Ja, ich habe die 11 Monate gelitten, sehr sogar. Ich habe es irgendwie überstanden. Und ich bin zuversichtlich, dass ich schon ziemlich tief in die Scheiße greifen müsste, um solche Umstände noch einmal herbei zu führen. Also, ein anderes Fazit lautet: Was mich nicht umgebracht hat, hat mich nicht umgebracht. Und damit kann man doch arbeiten.
This is a post from Diane.
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