Gedanken,  Malaysia

Islam I: In sha allah

Ich mache Witze über andere Akzente, bin politisch niemals korrekt und lache über – in meinen Augen – komische Bräuche, z.B. das Werfen von Kokosnussen auf die Straße (echt ne Sauerei da durchzukommen!). Trotzdem bin ich der Meinung, dass ich sowas wie cultural awareness besitze, immerhin habe ich mich verdammte 3 Jahre im Studium damit beschäftigt! Der Clue ist: Lache über andere UND über dich! Nutze Stereotype bewusst, um das Eis zu brechen. Don’t be so serious!

Der Islam. In Deutschland haben wir ja so einige Berührungspunkte mit dieser Religion, die sich vielleicht von allen Religionen am uneinigsten über ihre Bücher und Regeln ist. Was bekommen wir in Deutschland vom Islam mit? Moslems essen kein Schweinefleisch, habe mehrere Gebetszeiten am Tag, beten auf einem Teppich, Frauen tragen häufig Kopftücher und die Gebetshäuser heißen Moscheen. Und dann natürlich noch ganz viel andere Dinge, die aber mal so, mal so sind, je nachdem, was unser Dönerverkäufer des Vertrauens so sagt. Männer und Frauen geben sich nicht die Hände, kein Sex vor der Ehe, Alkohol Tabu ….? Ermm, und da geht’s schon los. Wir kennen ihn alle, den Raki, die türkische Variante vom griechische Ouzo (oder umgekehrt). Wir kennen die Iranerinnen, die nachts im Club sind, ihren Cocktail schlürfen und dann an der Stange tanzen (ohne Kopftuch). Aber wie gut, dass wir alle anders sind! Soll mal einer behaupten, die Christen wären alle gleich. Vor allem, wenn wir noch all diese Sekten hinzuziehen würden. Lauft, schnell, um euren limitierten Platz im Paradis zu bekommen! Solange der Vorrat reicht!
Religionen sind ein kompliziertes Ding und ich kratze nur ein bisschen an der Oberfläche, indem ich von ein paar Alltagsbeobachtungen und Gespräche mit muslimischer Malaien berichte.

In sha allah – Das war das erste, das ich hier dank meiner (ehemaligen) ägyptischen Kollegin gelernt habe. In sha allah heißt “so Gott will” und wird quasi hinter jeder Verbindlichkeit gesetzt, um sie unverbindlich zu machen. “Dann bis Dienstag!” – “In sha allah!” Also, was heißt das jetzt? Sehen wir uns am Dienstag oder nicht? Was ich anfangs einfach als Redewendung akzeptiert habe, macht mich heute ein klein wenig aggressiv, weil es in meinen Augen das Individuum davon befreit, sich an Abmachungen zu halten. “Ich wollte ja kommen, aber Gott hat es nicht gewollt.” In Klartext: Ich war zu faul, weil die Serie auf Netflix zu spannend war. Wenn man das mal im Großen und Ganzen betrachtet, dann geht es darum, Verantwortung abzugeben. Und zwar nicht die Verantwortung für jemand anderes, sondern für einen selbst und das eigene Handeln. Natürlich wird man wohl kaum eine Person treffen, die für jede Unpässlichkeit Allah die Schuld in die Schuhe schiebt, aber diese Redewendung spiegelt recht gut den mangelnden Ehrgeiz wieder, Dinge in die Hand zu nehmen und Probleme zu lösen. Tritt ein Problem auf, verfällt die Nation in eine Art Schockstarre und fühlt sich außerstande, etwas zu tun. Warum wohl konnte ein Präsident jahrelang Gelder verschleudern und keiner sagte etwas? Wenn er das konnte und Gott ihn nicht aufhielt, dann wird das wohl seine Richtigkeit haben, was? Auf meiner Arbeit ist das genauso: Uns fehlen 3 Deutschlehrer. Und anstatt etwas zu tun, wird tief geseuzft, der Blick gesenkt und ergeben auf den Boden gestarrt, anstatt etwas zu tun. Eigeninitiative ist anstrengend und wenn sie einer doch hat, dann wird das vielmehr als Belästigung angesehen, weil dann ja ersichtlich wird, dass die anderen verdammt bequem sind. Willenlose Ergebenheit vor einer höheren Macht trifft auf kultivierte Faulheit. Aber es gibt immer einen Weg, in sha allah.

 

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