Gesundheit,  Nanjing

Abenteuerplatz Krankenhaus

Auch wenn meine Reisedokumentation eigentlich noch nicht fertig ist (Bilder im Online Fotoalbum aber fast alle hochgeladen), möchte ich von einem Erlebnis berichten, das ich gerade hinter mir habe.
Das Krankenhaus.
Einige von euch holen jetzt sicher tief Luft, immerhin erinnern sie sich da an ein paar Horrorstorys von mir aus dem Jahre 2006… Aber dieses Mal führte mich kein akuter Zustand ins Hospital (mir gehts gut!), sondern ein Anliegen, das ich schon seit Monaten mit mir rumschleppe. Im November 2010 hatte ich ja diese Sportverletzung, die etliche Arztbesuche erzwungen hatte. Diagnose: Äh, keine Ahnung? Erst in Göttingen, ein paar Monate vor meinem Abflug nach China, fand ich eine Ärztin, die mich erst selbst therapierte und schließlich zur Physiotherapie weiterschickte, als sie meinte, daran müsse man länger arbeiten.
So weit kam es aber nie.

Hier in China dachte ich: Wieso nicht eine Therapie im Rahmen der TCM (traditionellen chin. Medizin)? Also fragte ich eine Lehrerin von mir, die mir den Namen einer Ärztin in dem Provinzkrankenaus Jiangsu aufschrieb. Dort war ich im Januar schon einmal und fragte nach der Frau, aber sie war nicht da. Erst jetzt bin ich wieder hin, allein. Kein Dolmetscher bei mir, keine Ahnung, was zu tun ist. Aber ich hatte nen freien Nachmittag, also hin da.
Unten am Empfand sagte man mir erst einmal, dass die Ärztin wieder nicht im Hause sei. Komisch, dabei hatte man mir doch das letzte Mal die Zeiten aufgeschrieben… also bin ich woanders hin, und da hieß es, sie sei im 3. Stock. Ich musste noch 3 weitere Leute fragen, wohin ich sollte, bis ich irgendwann um kurz vor 14 Uhr in einem Warteflur saß und darauf wartete, dass die Ärztin in Zimmer 8 bald auftauchen würde. 10 Minuten später kam eine Assistentin auf mich zu und sagte, sie sei VIELLEICHT im 7. Stock. Also bin ich dorthin, aber dort wusste niemand etwas von dieser Ärztin. Eine weitere Assistentin brachte mich also wieder runter in den 3. Stock, wo ich überreicht wurde an ein anderes nettes Mädchen, das mich dann urplötzlich in das Behandlungszimmer brachte, das gefüllt war mit ca. 6 anderen Chinesen. “Setz’ dich”, sagte sie und ließ mich allein. Zwölf Augen waren auf mich gerichtet, erwartungsvoll und verwirrt zugleich. Ich kannte das nur zu gut, so war es 2006 auch, als ich sogar vorgelassen wurde, weil sich alle meine Leidensgeschichte anhören wollten… Richtig, man sitzt dem Doc nicht allein gegenüber, sondern hat eine Reihe von Zuhörern um sich herum. Hallo?! Ich war aber nicht gewillt vor allen zu sprechen, also übte ich mich in Geduld und wartete.
Obwohl man mir sagte, die empfohlene Ärztin spreche Englisch, war dies nicht der Fall. Ich wartete, bis alle Chinesen den Raum verlassen hatten, dann setzte ich mich mit einem Lächeln der Frau gegenüber hin und begann zu erzählen. Die Übersetzung meines Gestammels dürfte in etwa so klingen: “Vor 2 Jahren beim Sport – Unfall – seitdem Fuß tut weh – nicht täglich – manchmal. Nicht schlimm, aber nervig.”
Sie schien erst ein wenig überfordert, wollte dann aber, dass ich zum Internisten gehe (fragt mich nicht, in welcher Abteilung ich eigentlich saß!) und irgendeine Medizin nehme. Mhm, Medizin wollte ich nicht, zudem – die Verletzung ist immerhin schon über 2 Jahre alt, was für Medizin soll da schon was bringen? Und dann ließ ich mein eigentliches Anliegen raus: “Akupunkter?” Da nickte sie und sagte: “Klar, kannst du versuchen. Gibts sonst noch was?” Da sagte ich ihr, dass mein Magen manchmal “viel Luft drinnen hat”, woraufhin sie meinte, dass ließe sich mit Akupunkter auch lösen – und holte eine andere junge Frau, die mich in die Abteilung der TCM brachte.
Da war ich also.
Anstatt Desinfektionsgeruch dachte ich, die verschreiben hier reihenweise Marihuana, denn der Geruch war ne Mischung aus Verbranntem und Pflanzen. Er haute mich glatt von den Füßen. Erst dann erinnerte ich mich an das Schröpfen und den ganzen Weihrauchkram (Fachbegriff: Moxibustion), den man in der TCM gerne benutzt. Ich landete in einem Zimmer mit vielen schmalen Betten (sogar mit Trennwand voneinander getrennt!) und saß dem großen, weisen Medizinmann gegenüber, der mich freundlich aus seinen dicken Brillengläsern ansah. Die Assistentin hatte das Wichtigste von der Ärztin zuvor schon gesagt bekommen, sodass sie es weitergab und ich mich nicht wiederholen musste. Trotzdem stellte er Fragen, und ich nickte oder schüttelte abwechselnd den Kopf, nur ungefähr erahnend, was genau er fragte. Hinter mir zuckte im Bett ein Bein im Takt. Ich sah hinüber und erkannte, wie über eine Nadel Strom in den Waden geleitet wurde. Tat man das nicht im 18. und 19. Jahrhundert in der Irrenanstalt zur “geistigen Heilung”? Schnell drehte ich mich wieder um, bekam 3 Zettel mit verschiedenen Summen drauf, sollte raus, bezahlen, und wiederkommen. Gar nicht mal so wenig… mehr als 10 Euro. Oha, was hatte man mit mir vor?
Wieder zurück, war ein Bett frei und ich gleich rauf da.
The show must go on.
Mr. Medizinmann krempelte mir die Hose bis zum Knie hoch, zog mir die linke Socke aus und ehe ich mich versah, hatte ich schon 6 oder 8 Nadeln in beiden Waden inkl. dem Fuß stecken. Komisch, hatte mir das schmerzhafter vorgestellt, denn eigentlich merkte ich nix. Ich dachte schon, er hätte die Sache mit meinem Magen gar nicht mitbekommen (musste die Assistentin gewesen sein, die ihm das verraten hatte), aber als er meinen Pullover hochzog, ahnte ich Schlimmes.
Es wurde geschröpft.
Auszug aus Wikipedia: Beim Schröpfen wird in sogenannten Schröpfgläsern ein Unterdruck erzeugt. Diese Schröpfgläser werden direkt auf die Haut gesetzt. Der Unterdruck wird üblicherweise dadurch erreicht, dass die Luft im Schröpfkopf erhitzt und dieser sofort auf die Haut des Patienten gesetzt wird. Das Erhitzen erfolgt durch einen in Alkohol getauchten Wattebausch, ein Stück Baumwollstoff oder eine Flocke Watte, die jeweils angezündet werden.
Und scheiße, das tat weh! Naja, jedenfalls zu Anfang. Dass man mir gleichzeitig auch Nadeln vorher unter die Gläser gestochen hatte, hatte ich gar nicht mitbekommen. Und erinnert ihr euch an den Strom? Der kam auch. An 2 Nadeln klemmte man Stromklemmen und ich sollte sagen, wenns unangenehm wurde. Ich glaube, ich sagte bei der niedrigsten Voltzahl schon stopp. Irgendwie ist mir Strom nicht ganz geheuer, dabei kommt diese Therapie auch bei unseren Orthopäden zum Einsatz (meine Mom kann ein Lied davon singen). Naja, Hauptsache mein Bein würde nicht unkontrolliert durch die Gegend zucken.
Keine Ahnung, wie lange ich da so lag… 30 Minuten bestimmt. Hier das Beweisfoto vom Schröpfen:
Wie ich mich nun fühle? Absolut normal. Auch wenn ich nicht glaube, dass das Schröpfen was bringt, so vielleicht die Akupunktur. Mit viel positiver Energie vielleicht. Freitag geht’s wieder hin, will das jetzt auch durchziehen, damit ich wenigstens sagen kann: Ich habs versucht!
Ansonsten gabs noch Wärmekompressen, eine richtige Kranken”akte” und ein Schwung voll Quittungen. Mal sehen, ob das meine Auslandskrankenversicherung annimmt (die können eh nicht lesen, was drauf steht) 😉

4 Kommentare

  • Juergen Wendt

    Falls es Dir gefallen hat,und falls du nach der Rückkehr auch noch eine weitere Behandlung wünscht, unser Nachbar ist Arzt und praktiziert TCM! So wirst Du nicht gleich entwöhnt davon, oder?
    Aber was würde ich als Normalbürger dort machen?
    Ich glaube die würden den ganzen Körper mit Nadeln besetzen und mich zum Haare Kämmen benutzen!!

  • Diane

    In Deutschland kann man sich das gar nicht leisten 😀 Und abgesehen von der Techniker Krankenkasse übernimmt das auch niemand – Sogar Krankengymnastik muss man aus der eigenen Tasche zahlen!

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