Lost in Beijing’s Christmas marathon
27. Dezember 2014
Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Was für eine verrückte Weihnacht und erfrischend anders als die letzten Monate in dieser Stadt.
Mhm… wo fange ich mal an? Genau, bei meinem letzten Blogpost, also Heiligabend. Den schrieb ich morgens und rief Mittags dann zur Generalprobe für das Krippenspiel auf, das abends bei meinem Chef (DAAD Lektor) aufgeführt werden sollte. Die Studis haben nur gekichert und die Hälfte konnte ihren Text nicht. Es lief also alles nach Plan 😀
Danach bin ich nach Hause, ab unter die Dusche und dann war es auch schon später Nachmittag und ich machte mich auf dem Weg, um das Haus meines Chefs zu suchen… eine Herausforderung, denn er wohnt in einem Hutong (hier klicken, wem das nichts sagt) und die wenigen Viertel in Peking, in denen die noch stehen, sind halt… dunkel. Menschenleer. Kurz gesagt: So ganz anders als der Rest der Stadt. Nachdem ich drei Mal an dem Haus, nein, Hinterhof, vorbei gegangen bin, mich dann durch einen Abstellschuppen, einem Hinterhof und einer Müllhalde gekämpft hatte, landete ich urplötzlich in einem sehr schönen Hinterhof mit Grill, Tannenbaum, roten Laternen… Welcome, that’s China!

Meine Studis waren schon alle da und arbeiteten fleißig in der Küche. Es gab so an die 100 Gerichte *lach*


Wie man sieht, alle tragen Jacken. Warm war es nicht besonders, denn wenn ihr euch die Architektur des Hauses anseht, dann werde ihr verstehen… es ist mehr oder weniger ein Museum.



Kein Teppich, keine Tapeten (ja, das sind alles Wasserflecken an der Wand…) und die Wände und Fenster so dünn, dass man nicht wagen sollte sich dagegen zu lehnen. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Chef so spatanisch wohnt. Natürlich gehört nicht ihm das Hutong, sondern der Familie seiner Frau. Diese Hutongs stehen alle unter Denkmalschutz und sind richtige Geldanlagen. Naja, meiner Meinung nach muss man trotzdem nicht so wohnen… Es war eben sehr traditionell!
Also während die Studis alle in der Küche versammelt waren, kümmerte ich mich darum, dass die Kehlen nicht austrockneten und machte den Glühwein. Dazu holte ich mir einen Handlanger, dem ich erstmal erklären musste, wie ein Korkenzieher funktioniert. Aber es klappte nach der 4. Flasche schon ganz gut 🙂

Irgendwann wurde alles aufgefahren, wenn auch etappenweise. Der Renner war das Essen aber leider nicht *lach* Wobei es viele Garnelen gab, womit ich mir den Bauch vollschlug. Die Dinger kosten hier ja nix. Also Glühwein und Garnelen.
Dann das Theaterstück um 21 Uhr. Es fand alles draußen im Innenhof stand und man hätte sicherlich mehr gehört, wenn nicht ein Haufen Kinder schreiend dazwischen gerannt wäre… Ich sage euch, die Gören sind hier so verzogen! Zieht hier nur eines einen Schmollschmund reichen ihm mind. 4 Personen gleichzeitig Süßigkeiten oder Spielzeug. Es werden Tyrannen. Aber das ist Thema für einen anderen Beitrag.
Es lief dann alles doch noch halbwegs rund. Danach wurde munter gesungen…

…und sogar der Weihnachtsmann kam (mein Chef) und verteilte Geschenke:

Ihr könnt euch vorstellen, wie chaotisch das alles war 😀 Die armen Nachbarn… es waren ca. 40 Leute oder so da. Gegen 22:30 war der Spaß dann vorbei und ich suchte mir das nächste Taxi.
Am nächsten Tag, den 1. Weihnachtstag, hatte ich Unterricht mit den Studis. Ich hatte Kopfschmerzen, als hätte ich Fässer gesoffen, dabei kam ich vielleicht auf 2 oder maximal 3 Becher Glühwein. Jaja, der chinesische Wein. Man sollte damit einfach nichts machen außer ihn in den Abfluss gießen. Ich stand also mit gequältem Gesicht vor der Klasse, die alle kolleqial gähnend zu mir herübersah. Obwohl wir alle genug geschlafen hatten, waren wir alle total gerädert. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie gut ich unterrichten konnte.. wobei ich die letzte Stunde nochmal all meine Energien zusammenkratzte und einen völlig freien Vortrag über wissenschaftliches Arbeiten an Deutschen Universitäten hielt. Schade, dass es niemand gefilmt hatte… der Vortrag vor spitzenklasse, also den hätte ich genauso gut in Göttingen vor der gesamten Universität halten können. Danach waren alle auch wieder wach, erst recht ich, ein Glück.
Als ich nach Hause fuhr, packte mich Heißhunger auf Pizza (jaja, verkatert eben) und ich trottete in eine Bar, wo es welche aus dem Steinofen gibt. Und weil ich ungern allein esse, gesellte ich mich zu einer 4-köpfigen Gruppe aus Afrikanern. Keine drei Minuten später stand eine 5L-Biersäule und noch vier weitere Pizzen auf der Mitte des Tisches. Wie erwartet waren es alles Studenten und ich wurde auch als einer abgestempelt, wunderbar. Eine Stunde später waren es 12 Leute, drei weitere Säulen und es wurden Trinkspiele gespielt (“Fuck you”), die das gesamte Niveau der Bar senkten. Erst war es ja noch lustig, so ungefähr die ersten 45 Minuten. Doch dann wurde mir schnell klar; Come on, aus der Phase des stumpfen Besaufens bist du raus – zumindest, wenn es nur Carlsberg gibt. Ich habe nur ein paar Namen erfahren, aber es ging nicht ums Reden, ums Kennenlernen, nein, es ging nur ums Saufen. Irgendwann schlich ich mich dann, 4 Bier und ne Pizza intus, heimlich raus und tanzte nach Hause (es muss auf den Überwachungsvideos der Stadt Dutzende Aufnahmen geben, wo ich über Straßen tanze und an U-Bahn Haltestellen Chachacha entlang der gelben Sicherheitslinie tanze… kein Kommentar).
Der 2. Weihachtstag. Ich musste nicht arbeiten, ich wollte ausschlafen. Ging aber nicht so recht, weil ich die Nacht über Pizza kotzend übern Klo hing und dann war es dann irgendwie auch vorbei mit dem Schlaf. Scheiß Pizza, schlechtes Bier. Naja, wer sonst 10 Stunden am Tag schläft, dem macht es jetzt nicht so viel aus. Ich aß den Tag über Essensreste, vornehmlich Schokolade, und schleppte mich abends zur Weihnachtsfeier der Universität. Auf in die letzte Runde. Ich war mental vorbereitet. Ich kannte dieses Theater aus Nanjing: Da will jeder Student zeigen, was er so drauf hat (peinlich, nur peinlich) und das Rahmenprogramm hat mindestens 12 Punkte. Gestern waren es sogar 18. Und es gab nur Obst und Wasser. Und glaubt mir, ich hatte alles abgesucht! Ich saß da also zwischen meinem Chef (“Was, Kopfschmerzen? Sowas hatte ich nicht…”), dem Institutsleiter, der Sekretärin und anderen Leuten aus dem Institut. Ich langweilte mich zu Tode, erst recht, als der Akku meines Smartphones leer war. Und so vergingen Stunden… eine Stunde… zwei Stunden…
…mit Peking Oper…

…halbnacktem Latin Dance…

…und Komödien aus der Kaiserzeit.

War natürlich alles auf Chinesisch und ich verstand maximal 10%. Aber man muss sich vorstellen: Alle Professoren, Leiter und Dozenten sitzen dort und die Studenten machen sich dort zum Affen. Teilweise auch die Profs, wenn sie krumm und schief irgendwelche Liebeshymnen schmeißen. Und die Menge tobte vor Begeisterung. Gesichtsverlust ist hier kein Thema…
Nach 2,5 Stunden flüchtete ich, musste leider vorher noch auf die Bühne und mein Geschenk entgegennehmen. Achtung, es ist ein Grauen in Kitsch und Rosa! Ich glaube, dieses DING kommt ins Bad. Dort kann man eh nichts mehr verunstalten.

Und dann fiel ich gestern Abend um 23 Uhr mit folgender Nachricht meiner Mitbewohnerin ins Bett:
咱们 的厨房有蟑螂。。。(In unserer Küche sind Kakerlaken…)
Damit wünsche ich euch allen noch schöne, stressfreie und weniger überraschende letzten Tage des Jahres 2014 <3
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3 Kommentare
Copepod
Hi Diane,
da hattest du ja wirklich ein ereignisreiches Weihnachtsfest ! Wie ist das eigentlich mit Fieertagen in China? am 1. Weihnachtsfeiertag war ja scheinbar buisness-as-usual. Gibt es da auch ein paar staatliche Feiertage (Maos Geburtstag oder sowas)?
Das mti dem zum Affen machen überrascht mich doch sehr. Ist das mit dem Gesichtsverlust eher eine japanische Nummer oder gibt es einfach Anlässen, bei denen man sich "offiziell" daneben benehmen darf?
Liebee Grüße
Sören
Diane
Ja, gibt hier viele Feiertage; Frühlings- bzw. Neujahrsfest dieses Jahr Ende Februar, dann die Nationalfeiertage im Oktober, Drachenbootfest, am 1. und 2. Januar ist auch frei. Joa, kommt schon was bei rum!
Und das Gesicht spielt bei Geschäften ne wichtige Rolle und ich dachte, dass ne Uni ne Institution wäre, wo es das auch tut, aber irgendwie…
Dori Kahfrau
Dein Weihnachten klingt irgendwie aufregender als meins. Das war seehr ruhig, etwas einsam und ereignislos!^^ Hoffe es geht dir guhuut da drüben!!